Kostenlos zu jedem Einkauf: Der Supermarktflirt

Jay Parker via Flickr, Creative Commons
Jay Parker via Flickr, Creative Commons

Haben die hier auch süße Sojasauce? hat er gefragt. Die soll besonders gut schmecken, habe er gehört. Außerdem müsse er seine Vorräte aufstocken. Er sei nämlich gerade erst aus dem Urlaub zurück, einem zweiwöchigen, und habe nichts mehr im Kühlschrank. So hätte unser – zugegeben recht einseitiges – Gespräch noch ewig weitergehen können, hätte ich nicht die Flucht ergriffen und meinen Einkaufswagen schnurstracks aus der Gefahren- bzw. Flirtzone gesteuert. Von Babykiwis bis hin zu Blutdruck-Messgeräten, im gut sortierten Supermarkt findet man heutzutage alles – vielleicht ja auch den Partner fürs Leben, scheint sich so mancher Single zu denken. Schmierige Bars mit schummriger Beleuchtung waren gestern. Der paarungswillige Single von heute geht im grellen Schein einer Halogenröhre auf Nummer Sicher. So ein voller Einkaufswagen verrät schließlich mehr als jede zum Eindruckschinden präparierte Junggesellen-Wohnung. Wer konsequent Sonderangebote hamstert, der wird abseits des Kassabands wohl nicht plötzlich zum spendablen Gentleman avancieren. Mit etwas Glück lassen sich an seinen Kaufentscheidungen auch gleich seine Absichten ablesen: Hat er es satt, seine Tagliatelle al Funghi alleine zu verspeisen und den angebrochenen guten Rotwein im Kühlschrank schal werden zu lassen, oder sucht er nur ein schnelles Abenteuer zwischen zwei Instant-Nudelgerichten? Mag sein, dass man seiner Einkaufsbekanntschaft unrecht tut, aber für den ersten Eindruck bekommt man eben keine zweite Chance, weder in der Bar, noch im Supermarkt. Und genau wie bei jedem anderen Flirt warten auch hier allerhand Fettnäpfchen nur darauf, dass man hineintritt. Das fängt schon bei den einzelnen Abteilungen an, von denen nicht alle gleichermaßen zum Anbändeln geeignet sind. Das Tiefkühlregal zum Beispiel: Fertigpizzen und gefrorene Meeresfrüchte versprechen eher unterkühlte Flirt-Aussichten. Der Süßwarengang könnte zu Missverständnissen führen: „Seh ich etwa aus wie ein verzweifelter Single, der sich mit Schokolade trösten muss?“. In der Weinabteilung dasselbe in Grün, pardon, Rot: „Will er mich nur abfüllen oder braucht er mich als Flaschenöffner für den teuren Rotwein, den er sich selbst nie leisten würde?“. Währenddessen schreien die Orangen, Kokosnüsse und Melonen in der Obstabteilung geradezu nach Freud’schen Versprechern. Wenigstens gegen das Spezialitätenregal dürfte nichts einzuwenden sein, oder? Dort einzukaufen, zeugt immerhin von gutem Geschmack – was man von einer Anmache à la „Vielleicht haben wir neben der Vorliebe für mediterrane Küche ja noch mehr gemeinsam.“ allerdings nicht behaupten kann. Gemeinsamkeiten hin oder her, von Lebensmittel-Unverträglichkeiten als Gesprächseinstieg ist ebenfalls abzuraten – auch vorm Regal mit den laktose- und glutenfreien Produkten. Bevor man sich jedoch seinen Kopf über das Wo zerbricht, sollte man sich lieber Gedanken über das Wie machen. Hinter jedem Einkaufswagen steckt schließlich auch nur ein Mensch. Einer, der vor allem eins will – einkaufen. Und was für bewusstes Einkaufen gilt, gilt auch für das Flirten währenddessen: Weniger ist mehr. Sollten sich zwischen Paletten und Doppelpacks tatsächlich zwei gefunden haben, spielt es nämlich auch keine Rolle, wenn ihre Kennenlerngeschichte anfängt mit „Einmal vorm Klopapierregal…“.

 

Foto: Jay Parker, Creative Commons