Arriba? Abajo? A gusto!

Camino Verde, Testgarten © Sarah Krobath
Camino Verde, Testgarten © Sarah Krobath

Die Geschichte vom Cacao Arriba geht so: Früher, bevor es ein gut ausgebautes Straßennetz gab, wurden große Mengen Kakao über den Flussweg transportiert – flussabwärts, um genau zu sein. Die Antwort auf die Frage, wo der Kakao herkomme, war demnach „arriba“, also flussaufwärts. Einer Legende zufolge soll auch noch ein Schweizer involviert gewesen sein, der ein mit Kakao beladenes Segelboot auf dem Fluss Guayas beobachtet hat. Mit der Zeit hat sich jedenfalls die Ansicht verbreitet, dass der Kakao flussaufwärts zwischen Vinces und Guayaquil besonders gut sein soll. Soviel zum Ursprung des Namens. Die restliche Geschichte rund um Arriba erzählt hier in Ecuador jeder, den man darauf anspricht, ein wenig anders – ganz nach seinem persönlichen Geschmack.

Kevin Kugel mit Cristoval von El Senor de Caballos © Sarah Krobath
Kevin Kugel mit Cristoval von El Senor de Caballos © Sarah Krobath

Fragt man Cristoval, der fast schon sein ganzes Leben lang für die Familie Soto Mayor die zum idyllischen Hotel und Spa El Senor de los Caballos gehörige Kakaoplantage leitet, erfährt man, dass seiner Meinung nach alles, was in Ecuador an Kakao wächst, im Grunde „Arriba“ ist. Sowohl der Kakao von kleinen Kakaofarmen flussabwärts, als auch jener der großen Monokultur-Plantage, durch die er uns mit seinem weißen Panamahut auf dem Kopf stolz wie ein Sheriff geleitet. Auch damit, dass sich im Grunde nur Arriba nennen darf, was von der Edelkakaosorte Criollo* abstammt, nimmt er es nicht so genau. Der CCN51-Kakao** der Plantage von El Senor de los Caballos hat für ihn nicht weniger Arriba-Potenzial als jede andere Sorte – hauptsache die Bäume befinden sich in Ecuador.

Hazienda Rancho Grande © Sarah Krobath
Hazienda Rancho Grande © Sarah Krobath

Für Mina und Ruben de Caicedo von der Hazienda Rancho Grande kommt es bei ihrem Cacao Arriba, der zu einem der 16 wichtigsten weltweit zählt, in erster Linie auf die Erde an. Die sei in Vinces, dem Standort des seit 100 Jahren und drei Generationen in Familienbesitz befindlichen Landguts, besonders ideal. Was Arriba ausmacht, ist sein fruchtiger Geschmack. Und für den spielt wiederum die Fremdbestäubung eine wesentliche Rolle.

Das erste Mal, dass ich eine Ananaspflanze sehe © Sarah Krobath
So wächst übrigens eine Ananas

Wenn Mina beim Spaziergang durch ihren Garten meint „Todo crece“, kann man das ruhig wörtlich nehmen. Hier wächst wirklich alles. Der Anblick der dort sprießenden Artenvielfalt soll selbst einen französischen Botaniker einst sprachlos gemacht haben. Rings um das kleine Häuschen wachsen Ananas-, Feigen- und Tamarindenbäume, an einigen schlingt sich eine Vanillepflanze hinauf, Lemongrass, Ginseng, Yuccawurzeln und Datteln stehen als Nachbarn neben Granatäpfeln, Mangos, Limonen und Guaven. Ein Paradies auf Erden, in dem alle Pflanzen in Harmonie miteinander leben und sich auch hinsichtlich ihrer Aromen gegenseitig bereichern, so Minas Überzeugung.

Ruben, Mina, ich und Bürgermeister Villasagua Santana © Sarah Krobath
Ruben, Mina, ich und Bürgermeister Villasagua Santana © Sarah Krobath

Die sympathische ältere Dame, die wie sie selbst sagt unter Kakaobäumen geboren worden ist, einen Kakaobauern geheiratet hat und wahrscheinlich auch unter einem Kakaobaum ihren letzten Atemzug tun wird, setzt sich dafür ein, dass neben hochwertigem Kakao auch Pflanzenarten, die in dieser Gegend in Vergessenheit geraten und beinahe ausgestorben sind, wieder in Vinces angebaut werden. Bürgermeister Cristian Villasagua Santana unterstützt sie dabei.

Schwedische Schokolade mit Kakao von Rancho Grande
Schwedische Schokolade mit Kakao von Rancho Grande

„Die Biodiversität und der Mix der Früchte kombiniert mit dem Fermentationsprozess machen den Unterschied im Aroma“, erklärt er uns beim Mittagessen begeistert bei Truthahn mit Kakaofüllung und Reis, dazu frischem Guaven- und Tamarindensaft aus dem Garten.

Der Erfolg von Rancho Grande gibt Mina und Ruben recht – ihr Fino Aroma Kakao wird direkt in die Schweiz und nach Deutschland exportiert und in Schweden gibt es sogar eine eigene Schokolade, auf deren Verpackung die Geschichte der Hazienda erzählt wird. Bis jetzt werden die Kakaobohnen vor Ort nur fermentiert und auf Bambus getrocknet, demnächst soll mit Hilfe der Regierung aber eine Maschine zur Herstellung von Schokoladenpaste angeschafft werden, ein Kakaomuseum in Vinces ist ebenfalls geplant.

Der exotische Garten Eden von Rancho Grande © Sarah Krobath
Der exotische Garten Eden von Rancho Grande © Sarah Krobath

Die Kakaoplantage Camino Verde in Balao, die wir heute besucht haben, liegt flussabwärts von Guayaquil. Der Bio-Kakao, der dort auf 80 Hektar wächst, müsste daher folgerichtig „Abajo“ statt „Arriba“ genannt werden. Warum Manager Vicente Norero auch nicht von Nacional, sondern von Neonacional spricht und welche bunt gekreuzten Kakaopflanzen in seinem 5 Hektar großen „Spielplatz“ wachsen, ist aber wieder eine andere Geschichte.

* Criollo gilt aufgrund seines ausbalancierten, runden Aromas, der milden Säure und feinen nussig-caramelligen Noten als der edelste und damit auch teuerste Kakao. Auch wenn die ursprüngliche Sorte heute kaum noch auftritt, ist sie doch Ahne vieler heute verbreiteter Edelkakaos.

** CCN51 steht  für Collection Castro Naranjal 51 – ein Hybrid aus den Sorten Nacional (Synonym für Arriba, Kakao mit Criollo-Abstammung) und Trinitario, der beim 51. Versuch des Kakaozüchters Castro Naranjal entstanden ist. Der Konsumkakao ist verglichen mit Edelkakaosorten zwar robuster und ertragreicher, aber bekanntlich auch weniger aromatisch.