Sommerhit oder One-Lick-Wonder?

Bild: Ryan McGuire

Schokolade, Vanille und Erdbeere, jahrelang haben wir diese All-time Classics rauf- und runtergeschleckt, mit ihnen im Freibad eine ruhige Kugel geschoben und unseren Eisgusto auf die Farbkombination Braun, Gelb und Rosa konditioniert. Und heute? „Habbe wir grade nicht“, sagt der gestresste Gigolo im Eissalon, der aussieht als könnte er selbst eine Abkühlung in der Eisvitrine vertragen, und verweist auf Schokoladeersatz wie Nougat, Kakao oder Nutella. Wie es scheint hat die klassischen Sorten dasselbe Schicksal ereilt wie einst Paiper und Tschisi. Damals waren sie Sommerhits, heute sind sie retro. Nicht nur auf ORF1, Pro7 und RTL, auch in modernen Eisdielen und ihren Testküchen wird gecastet was das Zeug hält. Neben mittlerweile fast schon alteingesessenen Sorten wie Tiramisu, Sahne-Kirsch, Cookies oder Kiwi wetteifern heute auch Mohn, Ingwer und Eierlikör um den Titel Austria’s next Tütenmodel. Waren die Becher, die die Welt bedeuten vormals fast ausschließlich süßen Früchtchen vorbehalten, versuchen sich heute Ausnahmetalente aus dem Gemüseregal und der Käseglocke als Teilnehmer bei der Stanizelmania. Schokoriegel und Fruchtzwerge, die eine Zweitkarriere als Popsiclestars anstreben, sind Schnee von gestern.

Bild: © Sarah Krobath

In Wiens aktuell wohl beliebtestem Eissalon, pardon, Eisgreissler werden stattdessen Butterkekse und Ziegenkäse auf die Geschmacksnerven der Kunden losgelassen – mit Erfolg, die Standing Ovations reichen zum Teil zurück bis zur Gelateria Zanoni & Zanoni. Etwas spezieller dürfte da schon die Fangemeinde vom Lepantos sein, das sich ebenfalls im ersten Wiener Bezirk angesiedelt hat. Dort kommt in die Tüte, was manch einer nicht einmal seiner Salatschüssel zumutet: Rote Rübe. Fernab vom Mainstream werden Zutaten wie Gurke und Wasabi oder Meersalz und Karamel zusammengecastet und als extracoole Newcomer vermarktet. Noch etwas extremer treiben es – nomen est omen – die Londoner Icecreamists. Unter dem Motto „God save the cream“ begehen sie ein Verbrechen am guten Geschmack nach dem anderen und schrecken auch nicht vor – zumindest wohlschmeckenden – Geschmacklosigkeiten wie Baby Gaga, einem Eis aus Muttermilch von lokalen Spenderinnen, oder einem Popsicle aus Weihwasser und achtzigprozentigem Absinth in der Form einer Pistole zurück. Der sogenannte Vice Lolly wird in einem eigenen Waffenschrank aufbewahrt und von seinem Erfinder, dem Icecreamists Gründer Matt O’Connor, auch als „Holy Water Pistol with a license to chill“ bezeichnet.

Bild: © Sarah Krobath

Auf die Gefahr hin, in der nicht existenten „Sarah sucht das Supereis“-Jury jetzt die Rolle des Dieter Bohlen einzunehmen: Ich finde, es gibt Zutaten, die haben einfach nicht das Zeug zum Eis. Hochprozentiges gehört in ein Shotglas – keine Shotgun, Gemüse in den Salat oder Eintopf und wer nicht weiß, wo Muttermilch hingehört, der hat sowieso einen an der Waffel. Das Publikum scheint jedenfalls auf meiner Seite zu sein. Laut WKÖ-Umfrage stellen die guten alten Sorten die neue Generation an Möchtegerns auch dieses Jahr eiskalt in den Schatten: Die Chartstürmer heißen erneut Schokolade und Vanille. Mag ja sein, dass Haselnuss inzwischen mehr Fans als Erdbeere hat, ich auf jeden Fall tippe auf ein rosa Revival. Wir dürfen gespannt sein, ob die ausgefallenen Sommerhits von 2012 auch nächstes Jahr noch in aller Munde sein werden oder ob sie sich letztendlich doch als One-Lick-Wonder entpuppen.

Bild: © Sarah Krobath

REZEPT ZUM REVIVAL: SELBSTGEMACHTES ERDBEEREIS

Zutaten:

1 kleine Tasse Erdbeeren

1 TL Vanillezucker (besser als Vanillinzucker)

3 EL Sauerrahm (Alternative: Joghurt)

Zubereitung:

Die Erdbeeren waschen, trocken tupfen, in kleine Stücke schneiden und über Nacht in einem Gefrierbeutel einfrieren. Die gefrorenen Erdbeerstücke kurz antauen lassen und zusammen mit dem Zucker und dem Sauerrahm in die Küchenmaschine geben. Kurz einschalten – nicht zu lange, sonst wird daraus Erdbeersoße – und fertig ist der Eisklassiker.

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  • Hihi, selten so gelacht. Du hast so recht! Das Erdbeereis-Rezept ist klasse, ich mach es immer mit dem Tupperware-Quickchef – dann ist auch noch die Qualität „Muskelkraft“ dabei 😉

  • Tupperware-Quickchef hab ich leider keinen – ist aber eine super Idee, dann läuft man nicht Gefahr, dass das Eis zu fein und flüssig wird. Und Fruchtstücke im Eis können schließlich auch nie schaden 🙂 Lieber Gruß, Sarah

  • Genialer Artikel, ich habe mich köstlich amüsiert! Und dass außer mir sich noch jemand an Tschisi-Eis, die wohl köstlichste Langnese-Sorte ever, erinnern kann, macht diesen Blog einzigartig. Hier werde ich jetzt auf jeden Fall öfters vorbeischauen. Viele Grüße!

  • Vielen Dank 🙂 Ich freu mich, dass du dich auf meinem Blog so wohl fühlst. Wie könnte man das Tschisi vergessen? Jeden Sommer werde ich ganz sentimental und denke wehmütig an das Käseeis am Stiel zurück. Lieber Gruß, Sarah

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