Die Geschichte vom hässlichen Muffin.

Bild: Sarah Krobath

Eine Bäckerin buk Muffins. Als sie fertig waren, zog sie ein dampfend heißes Blech mit elf schmucken, verlockend duftenden Schokoladen-Mandel-Muffins aus dem Ofen. Nur der zwölfte war scheinbar nicht ganz geglückt. Aus seinem Teig blitzten keinerlei Schokoladen-Chips und auch von knusprigen Mandelsplittern war keine Spur. Die anderen Muffins verspotteten ihn, weil er kahl und langweilig aussah und keines seiner Geschwister wollte neben ihm in der hübsch polierten Bäckereiauslage stehen. So beschloss der kleine Muffin, davonzulaufen und machte sich auf in die große weite Welt der Bäckerei. Zunächst mischte er sich unter eine Schar Punschkrapfen, die adrett auf einem silbernen Tablett aufgestapelt war. „Was bist du denn für ein schnödes Gebäck?“, fragten sie gehässig. „Primitiv schaust du aus – fast wie ein Brioche. Aber die sind wenigstens französisch! Dass du uns ja nicht an unsere Zuckerglasur gehst!“ Bei so boshaften rosaroten Wichtigtuern wollte der Muffin gewiss nicht bleiben. Außerdem wurde ihm von den Rumdämpfen, die diese Angeber verströmten, schon ganz schwindelig. Niedergeschlagen flüchtete er sich auf ein Blech mit frisch gebackenen Croissants. Doch gerade als er sich auf eine freie Ecke Backpapier plumpsen lies, kreischte eines der Croissants hysterisch „Mon dieu! Weg mit dir, du Missgebäck – du bist ja nicht einmal gefüllt!“ Da hatte der kleine Muffin solch einen Schreck bekommen, dass er hoch gehüpft und geradewegs im Korb mit den Handsemmeln gelandet war. „Die werden sich wenigstens nicht über mich lustig machen“, dachte er, als er sich langsam von seinem Schock erholte. „Die sind ja auch ganz gewöhnlich.“ Und tatsächlich, die Semmeln schienen ihn eine Weile zu ignorieren. Nur ein kugelrundes Exemplar musterte ihn abfällig und zeterte „Du hältst dich wohl für etwas Besseres, hm?“ Der Muffin wusste gar nicht wie ihm geschah. Er, etwas Besseres? „Du in deinem hübschen weißen Förmchen! Willst uns einfache Semmeln wohl neidisch machen!“ Der kleine Muffin wollte sich schon traurig weiterschleppen, als plötzlich eine Hand in den Korb fasste und ihn sanft herauszog. „Wie bist du denn da gelandet?“, meinte die Bäckerin verwundert und griff nach dem Spritzbeutel. Liebevoll verpasste sie dem eben noch blanken Muffin ein edles Cremehäubchen und verzierte es obendrein mit bunten Zuckerstreuseln. Den anderen Muffins fielen fast die Schokostückchen und Mandelsplitter aus dem Teig, als die Bäckerin den geschniegelten Muffin zu ihnen in die Auslage stellte. Und auch wenn der kleine Muffin schon kurz nach dem Öffnen der Bäckerei in den Händen eines glücklichen Mädchens zur Tür hinaus spaziert war, erzählte man sich unter den Backwaren noch lange die Geschichte vom kleinen Muffin, der eigentlich ein Cupcake war.

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