Eine Kette ist mehr als die Summe ihrer Teile.

Bild: Flickr © Scott Ableman

Ketten haben keinen guten Ruf. Das liegt schon am Wort an sich. Was damit beginnt, verheißt nichts Positives: Kettenrauchen, Kettentrinken und eben auch Kettenessen. Gemeint sind damit freilich nicht die armen Menschen, die an Esssucht oder Binge Eating leiden, sondern die nicht ganz so armen, die regelmäßig in Lokalitäten, welche einer Kette angehören, anzutreffen sind. Ist ja grundsätzlich nichts dabei – hoffentlich nicht man selbst und wenn, dann bloß nicht beim ersten Date. Was in der „Wiener Wald“ Filiale in Favoriten anfängt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dort auch sein Ende finden – Einserpanier und Süßholz hin oder her. Beim Standort Nähe Stephansplatz ist es dasselbe in Grün, pardon, Goldgelb. Da kann man ja gleich ein paar Meter weiter zum Mci in der Singerstraße gehen, oder? Wahrscheinlich haben überhaupt die Fastfood-Franchiser mit ihren unverkennbaren grellen Pommes-Logos und vergreisten Hühnchenmassenmördern als Testimonial den Ketten ihr schlechtes Image beschert. Dabei gibt es jede Menge erfolgreiche Restaurantgruppen, die genausoviel auf dem Kasten, im Ofen und unter der Abzugshaube haben wie ihre Single-Spot Pendants. Immerhin haben die meisten von ihnen auch mit einem Standort begonnen. „Franco Manca“ zum Beispiel – die englische Pizzakette hat mit einem kleinen Lokal zwischen einem Fischhändler und Mobilfunk-Shop angefangen und schickt ihre neapolitanischen Sauerteig-Fladen mittlerweile in zwei weiteren Filialen über den Tresen. Seit auch die Prominenz der Chefköche das Potenzial der Kette erkannt hat, kann unsereins bei drei verschiedenen Ottolenghis und viererlei Plachuttas speisen. Je größer das Filialennetz, desto kleiner die Entfernung zum nächsten Ableger. Trotzdem nehmen manche lieber eine lange Anreise in Kauf als in einem Kettenrestaurant Platz. Vielleicht verhält sich die Sympathie eines Lokals ja proportional zur Strecke, die man dorthin zurücklegen muss? Nach einer langen Anfahrt ist man dementsprechend hungrig und das Servierte schmeckt gleich umso besser. Zu behaupten, dass für den Hochgenuss eines mehrgängigen Abendessens im „elBulli“ vor allem die mehrstündige, mühselige Anfahrt zu der vielfach beschriebenen, abgelegenen Bucht verantwortlich sein soll, wäre allerdings mehr als unverschämt. Ich für meinen Teil würde es herzlich begrüßen, wenn bei mir ums Eck eine „Joseph“ Brotboutique aufmachen würde und ich für ein Waldviertler Roggen-Honig-Lavendel Krustenbrot nicht erst die Reise in den ersten Wiener Bezirk antreten müsste. Das Einzige, das man den Ketten vorwerfen kann, ist dass sie den Geschmack der breiten Masse treffen. Und da haben wir schon den Chefsalat: Zu dieser will man als Indiviuum nämlich niemals nicht gehören. Dass ein Menü nicht weniger mundet oder satt macht, wenn es von Hunderten statt nur einer Handvoll genossen wird, spielt dabei keine Rolle. Viel schöner ist es doch, sich eine kleine, verborgene kulinarische Schatzkammer vorzustellen, die man ganz für sich alleine hat. Die einzige Küche, die auf diese Weise bestehen kann, ist und bleibt allerdings die eigene.