Ich esse, also bin ich.

Bild von Ryan McGuire

Der Spruch „Du bist, was du isst“ ist vielleicht ein alter Hut, trotzdem feiert er momentan ganz groß sein Comeback. Die Tage, in denen man seine Ernährungsvorlieben noch in Freundschaftsbüchern unter dem Punkt „Lieblingsessen“ kundgetan hat, sind gezählt – jetzt wird keine Gelegenheit mehr ausgelassen. Der eine twittert, dass er in der Mittagspause ein Kebab verdrückt hat, der andere postet auf Facebook auch gleich das Foto dazu. Mir muss garantiert keiner sagen, dass Essen weit mehr ist, als ein Mittel zum Zweck. Scheinbar ist es inzwischen aber zum beliebtesten Mittel der Selbstdarstellung avanciert. T-Shirts, Leinentaschen und Buttons, die früher Band- und Markennamen zierten, plärren einem heute Statements der verschiedensten Ernährungsweisen entgegen. Ob eingefleischter Vegetarier, Fast Food Junkie oder Fleischesser aus Leidenschaft, jeder ist von dem, was er sich auf den Teller hievt, überzeugt und präsentiert es stolz der Welt. Bestimmt ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Lebensmittelindustrie darin eine neue Marktlücke wittert und den Markt mit Merchandising-Artikeln für Laktoseintolerante und Erdnussallergiker überschwemmt. Rette sich wer kann! Dabei kann man sich nicht nur über Lebensmittel wunderbar definieren, sondern auch über deren Erzeugung. Das gilt natürlich besonders für Bio. Logisch, wenn man für Produkte aus ökologischer Landwirtschaft schon tiefer in die Tasche greift, sollen es ruhig alle wissen. Also trägt der Biokäufer seine Biotragetasche mit stolz geschwellter Brust durch die Stadt, auch wenn sich darin manchmal nur eine Flasche Mineralwasser befindet. Sieht man sich einige der Kunden im Biomarkt einmal genauer an, könnte man sich durchaus fragen: Ist man automatisch was Besseres, nur weil man was Besseres isst? Die Antwort darauf bekommt man wenige Minuten später auf dem Kassabon präsentiert: Ja, ganz offensichtlich. Im Gegensatz zu normalen Supermärkten, bedankt sich der Biomarkt nämlich nicht für den Einkauf, er gratuliert einem dazu.