Kein Gruß aus der Küche.

Bild von Ryan McGuire

Wer kennt das nicht: das Topfensoufflé, das man geübt hat bis es einem inzwischen zu den Ohren herauskommt, fällt genau an jenem entscheidenden Tag, an dem es den Gästen vorgesetzt werden soll, in sich zusammen. Al dente gekochter Risotto für den Schwarm, Rindersteak à la minute für die Schwiegereltern oder Schokoladekuchen mit flüssigem Kern für den Chef, auf den Vorführeffekt ist bei jeder durchexerzierten Essenseinladung Verlass. Während die Teilnehmer beim „Perfekten Dinner“ mit makellos angerichteten Drei-Gänge-Menüs über den Bildschirm flimmern, möchte unsereins nicht selten im Küchenboden versinken. Wer an sich selbst den Anspruch eines perfekten Gastgebers stellt, der kommt nicht nur beim Zwiebelschneiden regelmäßig zum Weinen. Natürlich ist es ärgerlich, wenn man Tage darauf verschwendet, die raffinierten Amuse-Gueules der großen Köche zu imitieren, und diese schlussendlich aussehen als hätte man ein Kochen mit Kindern veranstaltet. Tatsache ist, wer ein Sternemenü wünscht, geht in ein Sternerestaurant und sucht nicht den eigenen Freundeskreis mit seinen übersteigerten Vorstellungen heim. Trotzdem fahndet man oft schon Wochen im Voraus nach einem preisverdächtigen Rezept, holt sich im Möbelhaus mehr als nur Anregungen für die perfekte Tischdeko und stürzt sich mit exklusiven und exotischen Zutaten in Unkosten.

Damit der Gaumenkitzel nicht zum Nervenkitzel ausartet, versucht sich der Hobbykoch mit einem Glas Wein zu beruhigen und so wandert die Flasche Pinot Blanc, die eigentlich für den Risotto gedacht war, schlückchenweise in den eigenen Rachen. Herrje, und womit sollen sich jetzt die Gäste den Hauptgang schön trinken? Wenn wirklich einmal etwas schief geht, wählt man einfach schnell die Notrufnummer und klingelt bei Mama oder Oma durch – die haben immer einen Erste Hilfe Tipp parat: abgebrochene Kuchenstücke mit Marmelade wieder ankleben, die matschig gekochten Nudeln wie beim Chinaimbiss in Öl herausbraten und den Fisch-Fauxpas kurzerhand als Frikassee verkaufen. Das Wichtigste beim Kochen ist, Ruhe und vor allem den Spaß daran zu bewahren. Solange es in der Küche keinen Feuerwehrauflauf gibt, gibt es auch keinen Grund, es dem missglückten pochierten Ei gleichzutun und in Selbstmitleid zu zerfließen oder sich gar wie François Vatel ins Schwert zu stürzen. Der Geschichte zufolge soll der Küchenmeister und Star der französischen Prunkküche Selbstmord begangen haben, weil die Fuhre Fisch für ein bevorstehendes Festmahl nicht rechtzeitig eingetroffen war. Der wenig später eingetrudelte Fisch machte Vatel auch nicht wieder lebendig. Das Rezept für ein unvergessliches Abendessen ohne Todesfall: Keine mit der Pinzette gefalteten Serviettenschwäne, keine flambierten Gerichte und kein anbiedernder Gruß aus der Küche, dafür aber eine Extraportion Gelassenheit und Selbstironie. Nimmt man das Gastgeberspielen nicht zu ernst, kann man sich besser auf seine Gäste konzentrieren und läuft nicht Gefahr, dass diese wie in besagter Fernsehsendung aus Langeweile die ganze Wohnung durchstöbern, während man selbst mit Gelkapseln aus der Molekularküche jongliert. Kochbuchautoren und Küchenchefs mögen vielleicht auf vitamin- und geschmacksschonende Zubereitungsarten schwören, ich für meinen Teil koche am liebsten nervenschonend.