Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in die Tube?

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Es war einmal ein Gläschen Senf, das in der hintersten Ecke des Kühlschranks ein einsames Dasein fristete. Wann immer sich die Türe öffnete, galt alle Aufmerksamkeit seine Stiefschwestern Ketchup und Mayo. Dabei war an denen gar nichts so besonders – außer vielleicht ihr besonders hoher Zucker und Fettanteil… Senf ist wahrlich das Aschenputtel unter den Dips. Mit dem leuchtenden Rot, strahlenden Weiß oder aufdringlichen Lachs ihrer Artgenossen kann die gelb-beige Würzpaste optisch nur schwer mithalten. Aber es kommt ja auch auf die inneren Werte – in diesem Fall die Senfsamen – an. Die weißen, braunen und insbesondere die schwarzen Körner sind nämlich äußerst schwierig und aufwändig zu ernten. Zur Herstellung sind inklusive Maischen, Mahlen und Reifen gar 30 bis 40 Arbeitsschritte notwendig. Während Sonnenkönig Ludwig XIV von Senf so begeistert war, dass er ihm sogar ein eigenes Wappen gab, wird er heute meist lieblos aus XL-Kanistern in Leberkässemmeln und auf Papiertatzerln gepappt. Die Senfauswahl im Supermarkt dauert keine zehn Sekunden – schließlich schmeckt ein Tubensenf wie der andere – und auch der fein-würzige Genuss wird angesichts des Ozeans, in dem das Bratwürstel auf Tauchstation geht, zum Verdruss. Dabei ist Senf eigentlich zu Höherem gemahlen: Er holt aus Marinaden und Saucen das Beste heraus, verträgt sich mit Fisch und Fleisch gleichermaßen, adelt Käse und Pasteten und springt schon mal für den im Kühlschrank vermissten Aufstrich ein. Zum Glück gibt es noch Traditionsbetriebe wie den der Familie Bösch, die den wahren Wert von Senf erkannt haben und ich noch traditionell als reines Naturprodukt herstellen. Denn auch wenn er eines der ältesten Gewürze der Welt ist, lässt er sich laufend neu erfinden – wie der Senf von Dörrpflaumen, Krensenf und das Schwarze Gold mit Aktivkohle beweisen. Das Einzige, das man – im Gegensatz zu industriell hergestelltem Senf – in den Lustenauer Kreationen nicht findet, sind Konservierungsstoffe. „Der natürliche Säuregehalt des Essigs, die zermahlene Senfsaat selbst und das im Senf enthaltene Salz übernehmen diese Funktion automatisch“, erklärt Herbert Bösch. Auch in der Monschauer Senfmühle wird wie in alten Zeiten zwischen Mühlsteinen Moutarde de Montjoie hergestellt und im Original Steinzeugtopf abgefüllt. Im Glas oder Töpfchen macht Senf beim Servieren eindeutig mehr her als im Zahnpastakostüm, auf seine Qualität lässt sich dadurch aber nicht automatisch schließen. Während die Industrie auch Gläser befüllt, gibt es die Basissorten von Lustenauer beispielsweise auch für Tubendrücker. Bei besonders aufwändigen Verpackungen und hohen Glaspreisen kann es sogar vorkommen, dass man für die Hülle mehr abstottern muss als für die enthaltene Fülle. Wer die Gelegenheit dazu hat, kauft deshalb Senf – ob im Glas oder in der Tube – am besten direkt beim Produzenten oder am Markt. Denn nur wer kostet, kommt auch auf seine Kosten.