Die Milch ist da. Aber wo ist die Romantik?

Photo by Noemí Jiménez on Unsplash

Wir haben uns auseinander gelebt. Die Milch und ich. Mit der Zeit ist es für mich selbstverständlich geworden, dass sie immer im untersten Fach im Kühlschrank liegt. So als hätte sie nichts anderes zu tun, als sehnlich darauf zu warten, dass endlich das Kühlschranklicht angeht und ich mir einen Schluck – womöglich noch direkt aus dem Karton – genehmige. Aber da haben wir’s ja: Sie macht sich gar nicht mehr hübsch für mich! Kein neckisches Posieren in einer glänzend polierten Glasflasche oder ganz auf Old School in einer silbernen Kanne. Überall bekommt man sie nur mehr zugeknöpft im hochgeschlossenen Tetra Pak zu Gesicht. Mag ja ökologisch sinnvoll sein, aber sexy ist das nicht! Ihr ewiger Selbstfindungsprozess geht mir langsam auch auf die Nerven. Ich erkenn meine Milch kaum noch wieder. Ist sie jetzt Heumilch? Biomilch? Frühstücksmilch? Oder alles auf einmal? Und erst der ganze Beauty-Wahn: Ein wenig fettreduziert hier, ein bisschen länger haltbar da. Gut, das mit der Sojamilch und dem Reisdrink hat sie vielleicht ein wenig verunsichert – aber da hab ich doch nur herum experimentiert, das war nix Ernstes. Und für den Test auf Laktoseintoleranz damals hab ich mich entschuldigt. Trotzdem, es ist einfach nicht mehr so wie früher. Da war der Milchkonsum noch Entertainment. Ein Schauspiel mit charmanter Milchmann-Besetzung und das direkt vor der eigenen Haustüre. Quasi der Cirque du Soleil des Einkaufens verglichen mit dem, was sich heutzutage am grell beleuchteten Kühlregal abspielt. Aber dafür kann die Milch ja auch nichts. Klar, manchmal wird sie aus heiterem Himmel sauer oder kocht plötzlich über. Dafür lässt sie sich aber ganz wunderbar aufschäumen, mit gefrorenem Obst flott zu einem erfrischenden Shake mixen und genüsslich durch einen rot-weiß-gestreiften Strohhalm schlürfen. Natürlich wird mir das alles ausgerechnet jetzt klar, wo sie einmal nicht in meinem Kühlschrank auf mich wartet. Zum Teufel mit der Romantik, ich vermisse meine Milch!

 

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  • Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich mit dem Fahrrad zum Milchbauern geradelt bin, um direkt nach dem Melken die kostbare Milch nach Hause zu holen. Das war damals die einzige Chance, da in den Supermärkten die Rohmilch abgeschafft wurde und ein Reformhaus gab es nicht in der Nähe.

    Ich denke nicht, dass ein Bauer das heute noch
    darf, da springen die Gralshüter der HACCP aus dem Häuschen!

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