Die neu-alte „Vermarktung“ der Supermärkte

Bild: © Sarah Krobath
Bild: © Sarah Krobath

Farbenfrohes Gemüse in geflochtenen Körben versehen mit kleinen Täfelchen, die sich wie ein Atlasverzeichnis mit Österreichs schönsten Regionen lesen. Daneben eine kleine Obstinsel aus gestapelten mit Stroh ausgekleideten Holzkisten. Ganze, halbe und geviertelte Käselaibe posieren in Reih und Glied auf hölzernen Balken und ein paar Schritte weiter baumeln Schinken hinter sich türmenden Salamis und zeichnen damit ein Bild wie es der italienische Stilllebenmaler Felice Boselli nicht besser gekonnt hätte. Ich liebe Marktbesuche! denke ich mir und werde von der kurzatmigen Dame, die mit ihrem Einkaufswagen Autodrom und prompt gegen meinen Fuß fährt, in die Realität – meinen Einkauf im Supermarkt – zurück geholt. Die bemüht inszenierte „zurück zum Ursprung“-Optik mit Körben und Tafeln, die zumindest aussehen wie handbeschrieben, verleiht dem Wort Vermarktung eine ganz neue Bedeutung. Und diese Marktmetamorphose kommt nicht von ungefähr.

In einem Interview zur Biofach 2014 (der Weltleitmesse für Biolebensmittel in Nürnberg) erläuterte Trendforscherin Dr. Miriam Hauser die wichtigsten Wertefelder, die unsere Kaufentscheidung bei Lebensmitteln beeinflussen: Neben den Evergreens Auswahl, Qualität, Gesundheit und Nachhaltigkeit gewinnen in Zukunft vor allem bequem, vertraut und ursprungsnah an Wert. Vertraut sehen die Stände auf Brunnenmarkt, Naschmarkt und Co in der Tat aus, ähneln sie doch zunehmend den Regalen von Spar, Billa und Merkur – also jenen von vor fünf Jahren. Nach TV-Show-Konzepten wie „Frauentausch“ und „Herrchentausch“ wäre jetzt die Zeit für „Markttausch“ gekommen. Herbert Vlasaty würde für eine Woche seinen Meinl am Graben gegen den Marktstand von Irene Pöhl am Kutschkermarkt tauschen, Mareike Nossol die Stände vom Adamah Biohof leiten und Gerhard Zoubek würde wiederum sieben Tage bei denn’s Biomarkt das Ruder übernehmen. Und die Moral von der Geschicht? Ursprünglichkeit ist nun mal nicht bequem. Wer einmal bei einem Tag im Leben eines Marktverkäufers Mäuschen spielen möchte, der kann dies beim Lesen meines Artikels für Biorama tun. Gute Freiluftmärkte, böser Supermarkt? Nein, so einfach ist es nicht. Schließlich versammeln sich in der ja! Natürlich Abteilung im Billa wahrscheinlich mehr heimische Produzenten in Form von Frischware als unter der Woche am Brunnenmarkt. Der Großgrünmarkt (der größte Wiener Großmarkt für Großhandel, Einzelhandel und Gastronomie) lässt grüßen. Und es sind vermehrt die Marktverkäufer, die diese immer gleichen Grüße, zu großen Teilen aus dem Ausland, überbringen.

Ich liebe Marktbesuche! denke ich mir am darauffolgenden Samstag und kann mein Glück zwischen Roten Rüben in jeder Größenordnung, zehn verschiedenen Apfelsorten und einem gewaltigen Strauß Lauch nicht fassen. Doch irgendwas stimmt mich skeptisch – überall geflochtene Körbe, tatsächlich handbeschriebene Tafeln und unter den Brauereitischen stapelweise hölzerne Kisten. Aber da holt mich auch schon das beruhigende Lächeln der beschürzten Marktverkäuferin auf meinen Spaziergang über den Bauernmarkt zurück. Wahrscheinlich bereitet der Einzelhandel währenddessen bereits seinen nächsten Coup vor und plant im neuen Jahr, die eigenen Hallen zu verlassen, um mit möglichst ursprünglich gestalteten Marktständen auf den heimischen Märkten einzufallen. Und jetzt mal ganz ehrlich, wäre das denn so schlecht?