We don’t need no (wine) education?

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Bild: © Sarah Krobath

„Also, ganz ehrlich, mich hat der Eisenberg an Tequila erinnert“, outet sich eine junge Dame in Schwarz schmunzelnd als Newcomerin in Sachen Wein. Wie die meisten Einsteiger bevorzuge sie süßere, fruchtbetonte Weine, der Gelbe Muskateller von Lackner-Tinnacher habe ihr jedenfalls ganz gut geschmeckt. Der Weg von Bacardi und diversen anderen Barmixgetränken zum Wein ist ein steiniger, weiß Christoph Wachter. Der 24-jährige Winzer aus dem Südburgenland ist ihn selbst gegangen und hat erst über einen Umweg zum familieneigenen Weingut Wachter-Wiesler, das er heute mit der Unterstützung seiner Eltern leitet, zurückgefunden und seine Begeisterung für regionstypische Rotweine entdeckt. Von der möchten sich auch die zwanzig Mittzwanziger anstecken lassen, die sich um zwanzig, na gut, um neunzehn Uhr im Wein & Co in der Mariahilfer Straße eingefunden haben, um sich von zwei Jungwinzern in die Weinwelt einführen zu lassen.

„Keine Besserwisser, lässige Stimmung und viel guter Wein“, wurde das erste Weinseminar für Twens zum zwanzigjährigen Jubiläum der österreichischen Weinfachhandelskette auf deren Website angepriesen. In der bereits zweiten Ausgabe des Seminars plaudern Katharina Tinnacher und Christoph Wachter über den unterschiedlichen Charakter der Böden, auf denen ihre Weinberge in der Südsteiermark und im Südburgenland stehen, über biologischen Weinbau und darüber, dass ihre Weine nicht jedes Jahr gleich schmecken müssen, ja gar nicht sollen.

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Bild: Katharina Tinnacher © tinnacher.at

Konzentriert schwenken die Teilnehmer ihre Weingläser, stecken ihre Nasen hinein und erfahren währenddessen mehr über das spezielle Mikroklima der beiden Regionen. Dazwischen bittersüße Anekdoten über kühle Nächte und warme Tage, von denen Winzerkinder nur wenige mit ihren Freunden im Freibad verbringen, und von Sonntagen, an denen es selbst dann kein Ausschlafen gibt, wenn der Ab-Hof-Verkauf eigentlich geschlossen hat. „Irgendwann kippt man dann doch hinein“, beteuert Katharina, die mit ihrem umfassenden Wissen über die Bodenstruktur der eigenen Lagen und ihren im wahrsten Sinne des Wortes grundverschiedenen Sauvignon Blanc sogar Kollege Christoph beeindruckt. Glücklicherweise tasten sich aber nicht nur die Töchter und Söhne von Weinbauern vermehrt an den Rebensaft heran. Auch wenn bei den meisten der Einstieg über Süßweine erfolge, entwickle sich der Gaumen und bald würde auch das Interesse für komplexere Weine geweckt, versichert Katharina der Tequila-Liebhaberin in unserer Runde. Sie zieht zum Vergleich die anfängliche Vorliebe für Milchschokolade heran, die später oft von Bitterschokolade abgelöst wird. Die zwanzig Köpfe im Saal nicken wissend. Für so eine Geschmacksevolution sei freilich Übung nötig, vor allem aber Spaß. Trink- und Lebensfreude ist auch Christoph besonders wichtig, weshalb er in seinen Blaufränkischen Wert auf eine lebendige Säure legt. Generell, meint er, haben es die Jungen leichter, an der Stilistik ihrer Weine zu drehen, als die alten Hasen, die ihre Fans nicht vergraulen dürfen. Er selbst habe auf der Weinbauschule in Klosterneuburg meistens in der letzten Reihe gesessen und würde sich beim Keltern seiner Weine nur bedingt an das Schulwissen halten. Tatsächlich fallen diese verglichen mit ihren Artgenossen wesentlich würziger und kräuterbetonter aus und sind zum Teil von einer salzigen Mineralik geprägt. Frei nach Pink Floyd: Not another classic Blaufränkisch on the shelf.

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Bild: Christoph Wachter © wachter-wiesler.at

Auch der Einfluss von Vorbildern – im Fall von Katharina, die Winzer aus Burgund mit ihren eleganten statt üppigen Chardonnays – wird mit der Zeit immer weniger, erläutert die Achtundzwanzigjährige. Man emanzipiere sich und eifere irgendwann nur noch danach, bestmöglich mit den eigenen Gegebenheiten zu arbeiten. Auch Christoph versteht Imitation vor allem darin, die eigenen Böden so zum Ausdruck zu bringen wie es im Burgund mit Pinot noir gelingt. Dass sie auf ökologischen Weinbau umsatteln – Katharina hat heuer den Zertifizierungsvertrag unterschrieben, Christoph setzt seit zwei Jahren auf bio, ab nächstes Jahr auch mit Zertifikat – hängt für die beiden weniger mit dem Folgen von Trends zusammen, als mit der Intention „noch ausdrucksstärkere Weine zu machen, die noch mehr nach dem Gebiet schmecken“. Junger Ehrgeiz gepaart mit alten Reben. „Die würde ich niemals durch neue ersetzen, auch wenn diese mehr Ertrag bringen würden und wahrscheinlich profitabler wären“, betont Christoph.

Knapp zwei Stunden später sind die Gläser leer, die Blätter voller Verkostungsnotizen und die Seminarteilnehmer um eine positive Weinerfahrung reicher. Auf die klassische Weinetikette wurde verzichtet, die bezeichnenden Weinaromen, die den Abend über gefallen sind, lassen sich an einer Hand abzählen und was es denn nun mit dieser ominösen Mineralik auf sich hat, haben wohl auch nicht alle so ganz verstanden. Probieren ging, wie vom Veranstalter angekündigt, über studieren. Aber womöglich liegt darin ja der Schlüssel zur Ent-Elitisierung von Wein und die entscheidende Frage lautet nicht, wie viel ein frisch gekelterter Weinenthusiast über Wein wissen muss, um ihn schätzen zu können, sondern, wie viel Wissen genügt, um davon begeistert zu sein und Spaß daran zu haben.

Die neue Winzer-Generation muss, da sind sich Katharina und Christoph einig, mehr Erfahrungen austauschen, auch für einen starken Auftritt auf internationaler Ebene. Mehr austauschen sollte sich aber auch die neue Weintrinker-Generation. Ob im Rahmen eines lockeren Seminars, beim gemeinsamen Besuch des einen oder anderen Weinguts oder zuhause am Esstisch, an dem auch einmal ein Béla-Jóska zu Fisch probiert oder gar mit Tequila verglichen werden darf.

1 Comment

  • Hallo
    wann gibt es wieder so eine Schnippeldisko in Wien? Könntest du´s mir bitte per Email schreiben?
    Liebe Grüße
    Doris

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