Ein Kühlschrankkrimi.

Vermisste Nahrungsmittel: Ein selbstgekochtes Risibisi, ein halber Becher Naturjoghurt, drei Bio-Erdbeeren aus österreichischem Anbau. Tatort: Der Kühlschrank in der Gemeinschaftsküche eines 60-Mitarbeiter-Büros. Das Opfer: Ich! Obwohl ich nichts von Selbstmitleid halte, zerfließe ich darin wie ein Häufchen Butter auf heißer Flamme, während ich mit leerem Magen ins genauso leere Kühlschrankfach starre. Ich zweifle an der Menschheit und meinem unterzuckerten Kreislauf sowieso. Ich frage mich: Wer tut so was?

Bild: aboutpixel.de © Christoph Ruhland

Schon klar: viele Menschen, viele Verluste. Von mir aus eine spurlos verschwundene Heftmaschine hier oder eine gekidnappte Schere da. Das steckt man weg. Da klaut man mit. Nur beim Essen hört sich die Kollegialität auf! Das ist ja kriminell: Nahrungsraub. Esserflucht! Ein Fall fürs CSI. Wäre besagter Kühlschrank im sonnigen Szeneviertel Miamis zuhause, könnte ich mich jetzt an den sonnenbebrillten Horatio Caine und sein Team wenden. Aber im zweiten Stock eines Gebäudes im neunzehnten Bezirk von Wien? Pech gehabt! Ich versuche mich also selbst am Täterprofil. Bei den ganzen CSI Folgen, die ständig über den Fernseher jagen, als wären sie selbst gerade auf der Flucht, kann das nicht so schwer sein. Wer war zur Tatzeit in der Nähe? Wer hat eine Vorliebe für Risibisi mit Hähnchen? Vegetarier und Kohlenhydratsparflammen dürfen die Anklagebank schon mal verlassen. „Und wer besitzt überhaupt die Frechheit?“, appelliere ich in einem E-Mail an alle an die nicht vorhandene Courage des Fremdessers. Ich atme tief durch und rede mir ein, dass Der- oder Diejenige heute bestimmt gar nicht im Büro ist. Natürlich nicht – sicher ist ihm das schlechte Gewissen auf den Magen geschlagen und hat ihm einen psychosomatischen Knoten im Darm beschert. Das Glas ist immer halb voll! Was man von meinem Magen nicht sagen kann. Vielleicht sollte ich mich ja auch einmal als Tupperknackerin versuchen. Aber ein Loch im Bauch und dann auch noch ein schlechtes Gewissen? Nein, danke. Ein paar meiner Kollegen scheinen mittlerweile eine recht eigenwillige Strategie zur Diebstahlssicherung entwickelt zu haben – von ihnen findet man im Kühlfach ausschließlich Abgelaufenes oder gar Prähistorisches. Aber das ist ein anderer Kühlschrankkrimi.