Von Blumenkindern und Wiesen im Glas.

Bild: © Sarah Krobath
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Nein, Hippie ist Herr Paternoster keiner. Der kleine Italiener mit kahlrasiertem Kopf ist lediglich einer, der auf Bienen fliegt und in seinem Beruf, pardon, seiner Berufung voll und ganz aufblüht. „Honig ist der Sohn der Blume“, betont er und zieht dabei beide Augenbrauen zu bauchigen Bögen nach oben, was ihm selbst etwas Bienenhaftes verleiht. Er meint das nicht etwa durch die Blume, sondern vollkommen ernst. Sein Ziel an diesem Vormittag ist es, uns zu zeigen, dass jedes Ökosystem seinen eigenen, einzigartigen Honig hervorbringt. Andrea Paternoster ist Wanderimker und vertreibt seine „Blumenkinder“ unter der erfolgreichen italienischen Marke Mieli Thun.

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Bild: © Sarah Krobath

Apfelblüten, Kirschblüten, ja sogar Orangenblüten, Löwenzahn und Akazien, von Thymian über Koriander bis hin zu Eukalyptus – was man auf den Etiketten der Honiggläser von Mieli Thun findet, würde sich auch prächtig in einem Blumenstrauß machen . Für diese beachtliche Sortenvielfalt reist der Imker mit seinen Bienenvölkern im Schlepptau der Blütezeit unterschiedlicher Gewächse durch ganz Italien hinterher.

Der Nektar für die „Quintessenza“-Linie wird während der zweiwöchigen Hauptblütezeit diverser Pflanzengattungen von seinen fleißigen Summern gesammelt und der daraus resultierende Honig direkt im Anschluss geschleudert. Sortenrein. Also doch nix mit Blumenstrauß? Oja, wenn es nach Herrn Enzinger geht. Der Imker aus dem Waldviertel betrachtet den Honig seiner Bienen wie ein Foto der Umgebung.

Bild: © Sarah Krobath
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Was ins Glas kommt, soll die eigentümliche Flora, an der sich seine Sammler erfreuen, widerspiegeln und wird deshalb ganz bewusst nicht nach Sorten getrennt geschleudert. Herr Enzinger glaubt auch an den homöopathischen Wert seiner „Landschaft im Glas“. Gut möglich also, dass mir die elende Pollenallergie erspart geblieben wäre, hätte ich von Kindesbeinen an Honigbrot mit der Essenz der oststeirischen Wiesen und Wälder gegessen.

Sich mit dem Produkt Honig einmal intensiver auseinanderzusetzen, dazu sollte auch die Aktion „Honig im Glas“ anregen, die Herr Enzinger und Tochter Lena gemeinsam mit dem Studio VIE im Rahmen der Vienna Design Week umgesetzt haben. Dort konnten Bastelbienen mithilfe von Stickern und Rubbelbögen ihr eigenes Honigglas gestalten und anschließend mit flüssigem Gold befüllen lassen. Den eigentlichen schwarz-gelben Künstlern des Abends wurde mit dem Super-8-Film „Die Bienen“ und ringsum aufgeklebten Postern voller wissenswerter Fakten Respekt gezollt. Das dabei entstandene Aufgebot an kreativen Unikaten kann sich sehen lassen.

Bild: © Sarah Krobath
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Zurück ins Klassenzimmer zu Herrn Paternoster. Nach einer Einführung übers Imkern, geht es ans Honig Verkosten. Dazu sind auf jedem Tisch fünf Weingläser gefüllt mit den unterschiedlichsten Abstufungen von Gelb und Gold aufgereiht. Sie sollen den Ursprung des Nektars, den Blütenkelch, repräsentieren, klärt uns der Imker auf. Ich greife nach dem ersten Glas, schließe die Augen und zack! schon stehe inmitten einer blühenden Wiese – mit einem Glas Mojito in der Hand. Limette und Minze sind nur ein paar der vielfältigen Aromen, die mir aus dem Glas mit Lindenblütenhonig in die Nase steigen.

Bild: © Sarah Krobath
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Beim nächsten Glas hat Herr Paternoster eine Überraschung für uns. „Greift in die Fächer unter euren Tischen!“, fordert er uns auf als wir bei dem eigentümlichen würzigen Geruch kollektiv die Stirn runzeln. In dem Fach befindet sich ein kleines Honigglas gefüllt mit demselben Duft, den der Eukalyptushonig in unserem Weinglas verströmt: getrocknete Steinpilze. Skeptisch führe ich den Löffel mit dem vermeintlichen Porcini-Nektar zu den Lippen und kann mir im nächsten Moment nicht erklären, wie er sich in meinem Mund auf einmal in Salzkaramell verwandeln konnte.

Nachdem wir uns Akazienhonig auf die Zunge tropfen haben lassen, imaginäre Kokosnussmilch aus dem Glas mit Korianderhonig geschlürft und eine seidige Streicheleinheit vom Löwenzahnhonig erhalten haben, zaubert uns Herr Paternoster zum Abschluss eine Mayonnaise auf Apfelblütenhonigbasis, die bestimmt auch Herrn Enzinger im Waldviertel schmecken würde. So verschieden sind der italienische Wanderimker und sein österreichischer Kollege gar nicht. Beide sind naturverbunden, leben in einer friedlichen Kommune mit tausenden fröhlich summenden Mitgliedern und propagieren Flower-Power. Irgendwie doch ein bisschen Hippie.

Bild: © Sarah Krobath
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Herr Paternosters Mayonnaise:

2 EL Apfelblütenhonig (oder ein anderer cremiger, kristalliner Honig)

2 EL Apfelessig

Pflanzenöl

optional: Salz, Pfeffer oder Senf

Den Honig mit dem Essig cremig rühren. Anschließend nach und nach Pflanzenöl hinzugießen und mit dem Mixer schaumig schlagen bis eine homogene cremige Masse entsteht. Nach belieben mit Salz, Pfeffer oder Senf würzen. Passt als Dip zu Rohkost, Fisch und Fleisch, rohen Artischocken sowie Spargel.

No Comments

  • Wir haben aus den Bergamasker Alpen ein großes Glas Honig mit gebracht. Schmeckt wahnsinnig karamellig, fast schon malzig.

  • Das klingt ja ganz fantastisch. Malzigen Honig hatten ich bisher noch keinen, werd ich mir aber merken. Danke!

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