Von DIY zu EIY. Ein Plädoyer.

© Ryan McGuire

Er hat vom Markt ihre Lieblingsmehlspeise mitgebracht. Sie freut sich wie ein kleines Kind. Beide mümmeln auf der Couch an ihren großzügig gefüllten Waldviertler Mohnzelten. Dann hat sie eine Idee: „Die müssen wir unbedingt einmal selber machen!“ Und er versteht die Welt nicht mehr. „Warum sollten wir die selber machen, wenn es doch so gute zu kaufen gibt?“ Pragmatisch wie immer. Kärntner halt. Aber unrecht hat er nicht.

Der Selbermachwahn hat seinen Höhepunkt erreicht, und nicht nur bei mir. Es gibt kaum ein kulinarisches Thema, dem sich nicht schon zig Kochbücher annehmen. Oder Kochkurse. Oder Koch-Apps. Blogs liefern Rezepte für handgemachte Süßigkeiten, selbstgemachtes Fastfood, ja sogar hausgemachtes ethnisches Essen. Die Liste der YouTube Tutorials zieht sich wie der Strudelteig und die asiatischen Nudeln, deren Zubereitung einem diese vom Abwiegen der Zutaten bis zum Servieren vorführen. Einige meiner Freunde aus der Foodblogger-Szene würden mich wohl eher ausladen, als mir etwas zu servieren, das sie nicht mit eigenen Händen geknetet oder gerührt haben. Ich selbst habe mich das eine oder andere Mal sagen hören „Was? Nein, die können nicht auf einen Kaffee vorbeikommen – ich hab ja keine Zeit zum Kuchenbacken!“.

Bevor meine Mama, in ihrer Pension ganz unverhofft das Backen für sich entdeckt hat, gab es bei uns, wenn Besuch kam, immer Nusstorte, Linzerschnitten und Erdbeertörtchen – „selbstgekauft!“ wie Mama stets stolz verkündete. Aber die gute Frau ließ sich nicht lumpen – die adrett nebeneinander auf Kartontassen geschlichtete süße Vielfalt stammte aus der besten Konditorei der Umgebung. Wer hat schon Zeit, selbst vier verschiedene Mehlspeisen zu backen, um seinen Gästen eine derart bunte Auswahl zu bieten.

Heute muss alles hausgemacht sein. Auch das Gekaufte. Vor allem das! Und unsere Sehnsucht nach Hausgemachtem wird erhört und gestillt. Mit Gugelhupf aus dem Hause Anker, mit Spar Premium Geflügelfond vermeintlich aus der Küche von Johanna Maier, aus der im Grunde nur das Rezept stammt ­­– angeblich. Und mit Sugo in Gläschen verschlossen mit rot-weiß-karierten Deckelchen, von der Nonna höchstpersönlich. Damit sich unsereins nicht komplett unfähig vorkommt, versorgt uns die Industrie obendrein mit Halbfertiggerichten, die wir mit ein paar Handgriffen verfeinern können und uns so wenigstens ein bisschen als Selbermacher fühlen, auch wenn sich unsere Rolle aufs Wasser Hinzufügen und Abschmecken mit beigelegten Gewürzen beschränkt.

Versteht mich nicht falsch, selbst kochen und -backen ist toll und es schmeckt, insbesondere im Vergleich zu industriell Gefertigtem, um Längen besser – vielleicht auch weil man sich bewusst mit den Zutaten auseinandergesetzt hat und weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt. Aber ist hausgemacht deshalb unbedingt besser?

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Lass dich nicht täuschen, diese Mohnzelte ist NICHT selbstgemacht! Bild: © Sarah Krobath

Der Bäcker im Waldviertel bäckt seine Mohnzelten seit Jahrzehnten, hat über die Jahre an dem Rezept gefeilt und sein Handwerk perfektioniert. Auch wenn ich mich anstrenge, die besten Bücher zum Thema verschlinge und mich von einem Tutorial zum nächsten klicke, besser werde ich die Mehlspeise aus Kartoffelteig nicht hinkriegen. Also begnüge ich mich mit etwas, das mindestens genauso wichtig ist wie das Selbermachen: das Selbergenießen. Nicht nur als Gast, sondern auch als Gastgeber – das klappt manchmal mit selbstgekauftem Essen eben besser. Und wir haben Glück, denn jeden Tag fühlen sich mehr Menschen dazu berufen, großartige Lebensmittel mit ihren eigenen Händen aus sorgfältig selbst ausgewählten Zutaten herzustellen. Sie backen Brot mit langer Teigführung und liefern es selbst an die Marktstände aus, bringen eine Marmeladen-Linie aus steirischen Früchten auf den Markt und kreieren liebevoll dekorierte Cupcake-Kunstwerke. Wäre doch schade, diese hausgemachten Köstlichkeiten zu verschmähen, weil man denkt, zu Hause selbst Hand anlegen zu müssen. Also, weniger von dem dauernden Do it yourself und mehr Enjoy it yourself!

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Selbstgenießen leicht gemacht. Bild: © Sarah Krobath

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  • Wenn ich solche Köstlichkeiten von einem tollen Konditor haben könnte, würde ich sie auch nicht selber backen! Du bist zu beneiden, wenn Du so ein Angebot auf dem Markt hast.

  • Ich geb dir recht , manche Dinge sind in Haushaltsmenge auch einfach so viel Patzerrei Krapfen wären für mich da sowas und Blätterteig…

  • Sarah, du schaffst es immer wieder, den Nagel auf den Kopf zu treffen! Ich trau mich oft schon gar nicht mehr zu sagen, wenn ich etwas NICHT selbst gemacht habe. Eigentlich auch blöd, denn alles kann man ja nicht selber zubereiten und zusammenbasteln. Und die Mohnzelten sind wirklich zu gut. Da kann man ja nur versagen.

    Liebe Grüße
    Nadja

  • Meine Lieblingsmohnzelten vom Kasses kommen von Pöhl’s Käsestand am Kutschkermarkt. Ich bin aber für alles vergleichbar Gute offen und für jede Empfehlung dankbar 😉

  • Ich bin den lieben Marktverkäufern und Händlern sehr dankbar dafür, dass sie so tolle Produkte nach Wien und direkt vor meine Haustür holen. Wobei ich für wirklich gute Mehlspeisen ab und zu auch einen etwas längeren Weg auf mich nehmen würde.

  • Absolut. Manchmal packt mich die Backwut, dann forder ich mich auch mal gerne mit solchen Dingen selbst heraus. Alltagstauglich sind diese Manöver aber nicht. Zugegeben, Krapfen hab ich auch noch nie selbstgemacht.

  • Liebe Nadja, freut mich natürlich zu hören, dass ich damit nicht allein bin. Ich glaub ja auch fest daran, dass die Stimmung beim Backen auf das Endprodukt abfärbt. Deshalb servier ich statt einem gestressten Superdessert lieber eine einfache Nachspeise, die dafür genauso gelassen wie die Gastgeberin daherkommt 😉 Alles Liebe, Sarah

  • Mohn hab ich mir extra aus dem Waldviertel liefern lassen um welche zu machen. Waren eh ok, aber jede Zelte hat anders ausgeschaut und wir mußten dann ziemlich viele auf einmal essen weil die nicht lange halten. Also wartet der Mohn im Tiefkühl auf eine andere Gelegenheit und ich kaufe auch wieder bei meinen Favoriten: http://www.kekinwien.at/essen/12/2013/auf-dem-markt-im-dezember-mohnzelten

  • Hut ab vor so viel Einsatz, zumindest dieses eine Mal, liebe Mischa! Waldviertler Mohn kann ich aber auch nicht widerstehen und würde mir wohl auch zuviel davon liefern lassen. Super Tipps für die nächste Gustoattacke auf Mohnzelten – und die kommt bestimmt bald 😉 Danke dafür!

  • Stimmt ja auch und hatten wir auch gerade bei unserer Fahrt nach Pellworm als Thema. Klar will man die lecker hausgemachten Torten zur riesigen Auswahl, wenn man Sonntags ins Café geht. Wenn man aber sieht, dass man da im Frühjahr manchmal nur zu Dritt sitzt und das schon gut gefüllt ist für diese Jahreszeit, dann kann man schon verstehen, warum die Tiefkühlvariante Sinn macht.

  • Ja, das stimmt absolut. Mich schrecken deshalb zum Bersten volle Tortenvitrinen ähnlich ab wie überlange Speisekarten. Ich bin überhaupt ein Fan vom Tageskuchen 😉

  • das Wort am besten ganz oft verwenden – dann gewöhnen sich die Leute dran und werden diesbezüglich toleranter 😉

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