Frisch ans Werk in Wiens erster Stadtkäserei

© Sarah Krobath
© Sarah Krobath

In Wiens erster Stadtkäserei ticken die Uhren im Winter anders als im Sommer, verrät uns Johannes Lingenhel am großen Chef’s Table zwischen Käserei und Küche. Statt wie die letzten Monate um 17 Uhr, findet die wundersame Verwandlung von frischer Bio-Ziegenmilch aus dem Waldviertel in zarten Frischkäse zugunsten des richtigen Produktions-Rhythmus jetzt zwei Stunden früher statt. Diesmal dürfen die Volontäre der Vienna Foodie Quest hautnah dabei sein wie der Gastronom und selbsternannte Käselehrling von Robert Paget das dickgelegte Käsebruch-Molke-Gemisch zum Abtropfen aufschüttet und anschließend beim Abfüllen in die Formen selbst Hand anlegen.

Die rund 100 Teilnehmer der zweiten Vienna Foodie Quest (#vfq16) hatten bereits am 11. Juni die Gelegenheit den Genusstempel kurz vor der Eröffnung als eine von 22 kulinarischen Stationen zu besuchen und den frischesten Käse der Stadt zu verkosten.

Von köstlichen Unfällen und glücklichen Zufällen

„Frischkäse machen wir nur aus Ziegenmilch“, erzählt unser Gastgeber, „weil sie viel feiner, graziöser und leichter ist als Schaf- oder Büffelmilch.“ Der abgefüllte Frischkäse bleibt über Nacht in der Käserei stehen, wird in der Früh gewendet und kommt dann mit Salz und einer Blütenmischung verfeinert in die Vitrine im direkt angeschlossenen Shop. Aus Schafmilch entsteht in der Landstraße herrlich cremiges hausgemachtes Joghurt, aus Büffel-, Ziegen- und Schafmilch aromatische Camemberts. „Alles was Weißschimmelkulturen hat, heißt bei uns Camembert – egal in welcher Form“, erklärt Johannes, während er uns auf dem Teller einen willkommenen „Unfall“ präsentiert. Der Schafsmilchlieferant habe einmal auch Kuhmilch mitgebracht, der Camembert sei das Ergebnis daraus. „Mit einem drei Wochen alten Camembert kannst du normal wen erschlagen“, hält Johannes stolz die zwei Hälften mit cremig-weichem Kern hoch, die zwischen seinen Fingern sichtlich mit der Schwerkraft kämpfen. Neben der Temperatur in der Käserei, die einen großen Einfluss auf den Käse ausübt, komme es vor allem darauf an, was das Vieh am Vortag gefressen hat – so bringe jede Jahreszeit auch bei demselben Rezept ganz unterschiedliche Käse hervor. Und eben auch den einen oder anderen Zufall. Etwa die Rolle mit Fichtenband, die als nächstes angeschnitten wird.

Mischen possible!

Was tun, wenn man für eine Charge Käse 70 Liter Milch braucht und eines abends plötzlich 50 Liter Schafmilch und 50 Liter Ziegenmilch übrig sind? Ab in den Kessel damit! Zusammen ergeben die beiden einen zu 100% zufriedenstellenden Weißschimmelkäse mit relativ dichtem Teig und dem feinem Aroma von beidem, Schaf und Ziege. „Das Schönste für uns ist, wenn beim Camembert der Schimmel wächst“, weiht uns Johannes in die Problematik, Käse in einer zunächst sterilen, weil neuen, Umgebung herzustellen, ein. Zum Glück habe das in der Stadtkäserei gleich von der ersten Charge an funktioniert. „Seit September hat sich in der Manufaktur jetzt der ideale Rhythmus eingestellt.“

Doppelt abschalten beim Rühren

Fragt man Johannes danach, was er beim Käsen am liebsten mag, ist es das Rühren des geschnittenen Käsebruchs. Um sich ganz auf diese Art von „Meeresrauschen“ zu konzentrieren, dreht er in der Käserei gerne Licht und Lüftung ab und ist eine Stunde lang ganz in seinem Element.

Ganz so still geht es bei den Käsekursen in der Stadtkäserei freilich nicht zu, als Käsefan sollte man sich das 6-stündige Abenteuer mit Johannes Lingenhel und Robert Paget trotzdem nicht entgehen lassen. Mehr darüber hier.

Bis Weihnachten trifft man Lingenhel übrigens nicht nur in der Landstraße 74, sondern auch am Stand auf der Markterei in der Alten Post mit einer Käseauswahl aus dem Sortiment an.

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