Von durstigen Start-ups, gesunden Sünden & der Freiheit von allem – #Biofach15

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Beim Schlendern durch die neun gigantischen Hallen der Biofach, der Weltleitmesse für Biolebensmittel in Nürnberg, jagt ein Aha-Erlebnis das andere, um anschließend von einer Schar Mmmh-Erlebnissen überholt zu werden. Um bei den gut 2.000 Ausstellern aus dem Bio-Lebensmittelbereich jeder Produktneuheit und allen Bio-Pionieren die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdient hätten, müsste man wohl für einige Wochen aufs Messegelände übersiedeln. Bloß, dass die Biofach nur vier Tage dauert und manche Besucher, so wie ich, nur einen einzigen Tag dort verbringen.

Trotz der kurzen Zeit vor Ort und der Vielfalt an Produkten, sind mir einige besser im Kopf geblieben als andere.

 

Jung & durstig

Besonders erfrischend finde ich das Eck „Junge innovative Unternehmen“, in dem sich ebensolche dank einer Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie präsentieren können. Erfrischend zum einen aufgrund der großen Vielfalt an natürlichen Schorlen, Smoothies, Cider und Limonaden – die deutschen Jungunternehmer scheinen durstig zu sein – und zum anderen wegen der wirklich gut gemachten Logos und Verpackungen vieler Start-ups.

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An einem Eck setzt mir die Flauserei flaschenweise Flausen – ein Hibiskus-Ingwer-Getränk mit Kohlensäure – in den Kopf. Ein paar Schritte weiter am Stand von elbler herrscht in meinem Glas abwechselnd Ebbe und Flut, wobei sich die Ebbe als Cider mit 2,5 und die Flut als herb zischender Cider mit 5 Volumenprozent herausstellt.

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Ai Laike aus Mainz hat sich das bescheidene Ziel gesetzt, den besten Eistee der Welt zu machen – von Hand – und arbeitet mit zwei Eistees auf Schwarzteebasis und einem auf Grünteebasis an der Welteisteeherrschaft.

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Am Stand von Cow Cow werde ich über die „korrekte“ Schreibweise von Kakao aufgeklärt und mit Matcha Magic könnte ich mir meine tägliche Matcha-Dosis statt schluckweise aus der Teetasse auch in vegetarischer Kapselform einverleiben – „oder unter den Smoothie mixen“, ergänzt die muntere junge Dame am Blender. Als Haselnussliebhaber schlägt mein Herz natürlich bei Haselherz höher. Für den neuen zuckerfreien Haselnussaufstrich hat sich Macherin Ebru Erkunt mit den Kokosnuss-Produkt-Vertrieblern von Kulau zusammengetan und ihn zur Abwechslung statt mit Traubensirup mit Kokosblüte gesüßt.

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Convenient & clever verpackt

Von den Jungunternehmern geht’s geradewegs zu ein paar alten Hasen im Bio-Biz und einem smarten neuen Convenience-Produkt mit Aha-Effekt-Garantie. Am Stand von Sonnentor entdecke ich neben altbekannten Tees und Gewürzen ein paar Pyramidenbeutel mit neuer Füllung. Gewürztees? Aber nein! Beim Waldviertler Kräuterhandel gibt ab sofort auch getrocknete Kräuter und Gewürzmischungen im Pyramidenbeutel.

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Die vier verschiedenen Gewürzpyramiden für Fisch- und Asiagerichte, Suppen und Saucen, Wild und Schmorgerichte oder fruchtige Kompositionen solle ich einfach mitkochen lassen und dann bequem rausnehmen, wenn das Gericht den gewünschten Geschmack hat. Die mit der Mischung für Fischgerichte gewürzte Kürbissuppe überzeugt mich vom ersten Löffel an. Der Gedanke an ein Apfelkompott ohne lästige Nelken, die mir beim versehentlichen Draufbeißen den feinen Fruchtgeschmack zunichte machen, noch mehr.

Fruchtig & frei von…

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Wer beim goldig gelben Inhalt der Zalto Gläser am Stand der Fandler Ölmühle an Süßwein denkt, liegt genauso falsch wie jener, der zum bunten Sprudel von Baola Limonade sagt. Dabei handelt es sich nämlich um eine leichte Saftschorle aus Wasser, Direktsaft und Baobab Fruchtpulver vom Affenbrotbaum, werde ich von dem entspannten jungen Mann mit Strohhut aufgeklärt. Letzteres macht sich offenbar auch gut als Brotaufstrich und Frucht-Konfekt.

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Konfekt scheint überhaupt die Nascherei schlechthin zu sein. Die handlichen Energiekugeln, ayurvedischen Würfel, Fruchtleder und Roh-Riegel passen nicht nur wunderbar zum andauernden Raw-Food-Trend, sie sind außerdem frei von allem, was irgendwann irgendwie den Verdacht erweckt hat, es könne eine tatsächliche oder imaginäre Unverträglichkeit dagegen geben.

Transparenz, stelle ich halbzufrieden fest, wird bei und auf immer mehr Produkten groß geschrieben. Inzwischen sind die aufgedruckten Listen der Zutaten, die alle NICHT in einem Produkt enthalten sind, allerdings fast gleich lang wie jene der enthaltenen.

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Dem „Free From“-Trend wurde bei der heurigen Wahl zur besten Produktneuheit sogar eine eigene Kategorie gewidmet. Vom eifreien My Ey bis über „Milch“-Drinks ohne tierische Milch z.B. aus Hafer von der schwedischen Firma Oatly mit dem provokanten Claim „It’s like Milk but made for humans“ bis hin zu getreidefreiem Buchweizenbrot und -kuchen ist alles dabei. Fasziniert aber nicht ganz unbekümmert stelle ich fest, dass auf einer Messe, bei der durch die Bank alle Produkte bio sind, das Vegan-Zeichen auf Verpackungen wie eine zusätzliche Auszeichnung wirkt, die vegane Produkte gegenüber dem Rest aufwertet.

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In Sachen Konfekt überrascht mich insbesondere das Ayurvedische Kichererbsenkonfekt Natur LADDU von Govinda, das zwar weder vegan noch glutenfrei ist, dafür aber mit drei Zutaten (Kichererbsen, Butterreinfett und Vollrohrzucker) auskommt und unverschämt gut schmeckt. Die Konfekt-Manufaktur Teufelswerk & Engelsgabe bringt es mit ihrem Namen auf den Punkt – Reue empfindet bei derlei Süßigkeiten wohl kein Gesundheitsapostel mehr.

Zum Knabbern & „Toppen“

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Wenn nicht zu Naschereien verarbeitet, werden die Trockenfrüchte und Nüsse auf der Biofach eben pur gesnackt oder als Topping drübergestreut. Nuss-Frucht- und Saaten-Mischungen dürften dieses Jahr in aller Munde sein. Bei den Toppings von Flores Farm dürfen auch Kakaonibs und Hanfsamen mitmischen, Verival bringt als Drüberstreuer demnächst eine Saatenmischung mit Leinsaaten, Floh-, Chia-, Hanfsamen und Himbeerstückchen heraus und geht es nach Davert verabreichen wir uns Chiasamen ab sofort auch unterwegs in Form von Shots, die mich an die Zuckersticks der Gastronomie erinnern.

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Rosinen gehören wohl zu den am meisten polarisierenden Trockenfrüchten überhaupt, die grünen Rosinen aus West-China von Flores Farm dürften aber auch so manchen Skeptiker auf den Geschmack bringen. Sie werden in vor Sonnenlicht geschützten Steinhäusern getrocknet und behalten dadurch ihre frische grüne Farbe und den fruchtigen, nicht zu süßen Geschmack.

Ich bin gespannt, welchen Produkten ich in unseren Supermärkten und Lokalen wiederbegegnen werde und ob es ihnen gelingen wird, auch im Regal und auf der Karte so herauszustechen wie sie es für mich auf der Biofach getan haben.