When in doubt, cook! Plädoyer für ein Sabbatical in der Küche.

Photo by Tim Mossholder on Unsplash

Die To-do-Liste des Volksmundes, die für uns Normalsterbliche lautet ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und ein Kind zeugen, geht für Promis ungefähr so: ein Album aufnehmen, in einem Blockbuster mitspielen und eine Mode- oder Parfumlinie kreieren. Wer das alles mehr oder weniger erfolgreich abgehakt hat, der bringt ein Kochbuch heraus. Die Exemplare im Celebrity-Kochregal, das langsam droht die gesamte Kochbuchabteilung der Buchhandlungen zu vereinnahmen, versprechen nicht etwa, dass man mit den enthaltenen Rezepten ganz passabel kochen kann – dafür gibt’s schließlich Julia Child und Jamie Oliver. Nein, mit den Rezepten der Celebritys siehst du gut aus und fühlst dich großartig (wie Gwyneth Paltrow), du verlierst Gewicht und rettest nebenbei den Planeten (wie Alicia Silverstone). Ich wage zu behaupten, dass die besagten Gerichte selten wirklich aus dem Repertoire ihrer Autoren stammen – gibt es das Buch „100 ways to drink water“ eigentlich schon? Warum aber soll es unter den Stars und Sternchen nicht auch Menschen mit dem ehrlichen Bedürfnis geben, ihre Kreativität einmal anderweitig auszudrücken?

Ob Promi oder nicht, wer von seinem Job übersättigt ist wie es die Pierre Hermé Angestellten mit Macarons sein müssen, der legt heutzutage ein Sabbatical ein. Manche gönnen sich gleich nach der Matura eine Auszeit und die Glückskinder unter ihnen entrinnen knapp dem Thewi-Studium (Theaterwissenschaften) – jener Bahnhofshalle, in der kreative Seelen ihre Träume erst mal in Kästchen einschließen bis sie herausgefunden haben, wohin die Reise denn nun gehen soll. Andere möchten ihrer Persönlichkeit nach Jahren im selben Beruf einmal auf andere Weise Ausdruck verleihen als mit hübsch verzierten Power Point-Folien und einer mutigen Krawatte und nutzen ihre Auszeit, um die Welt zu bereisen, mit dem Malen oder Schreiben zu beginnen oder fürs Woofen. Oder du machst es wie Sängerin Kelis und lernst professionell kochen. Als die Künstlerin nach 10 Jahren im Musik-Biz gerade bei keinem Plattenlabel unter Vertrag war, schrieb sie sich 2008 kurzerhand in eine Kochschule ein. Und zwar in keine geringere als das berühmte Cordon Bleu.

Kelis Kochbuch: My life on a plate © erschienen bei Kyle Cathie Limited
Kelis Kochbuch: My life on a plate © erschienen bei Kyle Cathie Limited

In the music industry, everyone lives like we’re saving the world. Music is healing, but the reality is it’s very self-centered. To be good at it, you have to be egotistical, and it doesn’t equip you for much else.“, beschrieb sie ihre Beweggründe der LA Weekly und erinnerte mich damit an die von hausgemachtem Stress getriebene Werbebranche, in der ich – am Thewi-Studium vorbeigeschrammt ­– gelandet bin. Besonders überrascht hat mich dann aber folgende Aussage der singenden Köchin: “It opened up my life, made me feel like I can do something else.“ Dass die 36-Jährige eine Vorliebe für Essen hat, kann unsereins aus Songs wie „Milkshake“, „Breakfast“ oder „Jerky Ribs“ heraushören und am Titel ihres Albums „Food“ ablesen. Sie selbst führt diese auf ihre Mutter zurück, die sie bereits als Kind bei ihrem von zu Hause aus betriebenen Catering Business unterstützte. Später habe sie auf ihren Tourneen um die Welt Märkte und Restaurants als versteckte Juwelen ihrer Reisen schätzen gelernt und Rezepte gesammelt. Nach ihrem Abschluss am Cordon Bleu hat sie den Geschmack ihrer Erfahrungen und Begegnungen von unterwegs jetzt in ein Kochbuch gegossen. „This is not a celebrity cash-in“, eröffnet Kevin Pang seine Kritik in der Chicago Tribune zu Kelis’ „My life on a plate – recipes from around the world“, das am 18. September erschienen ist.

Braucht die Welt dieses Kochbuch? Womöglich nicht. Wird Kelis als Kochbuchautorin ein ähnlicher Durchbruch gelingen wie als Sängerin? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Muss eine gut genutzte Auszeit zu einem Kochbuch oder gar einem Bestseller wie „Eat, pray, love“ führen? Auf keinen Fall – das wäre dann schließlich keine Auszeit! Wer aber nicht genau weiß, was er während seines Time-outs mit sich selbst anfangen soll, der tut gut daran, Kochen in Erwägung zu ziehen. Immerhin startet auch der Sabbat (Ruhetag/Ruhepause), von dem das Wort Sabbatical abstammt, mit einem Festmahl. Du musst ja nicht gleich ein ganzes Jahr oder noch mehr Zeit in eine Ausbildung investieren – das Kochkursbuffet, das uns Gastronomen wie die Familie Wrenkh, Michaela Russmann, Claudia Nichterl und Bianca Gusenbauer, Magazine wie Gusto und Küchenhersteller wie Miele und Bulthaup auftischen, ist reich gedeckt. Du brauchst also nur noch zugreifen. Und verglichen damit, ein Haus zu bauen, einen Baum zu pflanzen und ein Kind zu zeugen, erscheint kochen lernen dann doch relativ machbar, oder?

 

Mehr von Kelis als Köchin:

Die Sängerin hat ihre eigene Saucen-Linie bounty & full.

Munchies hat sie beim Zubereiten ihrer Jerk Sauce gefilmt.

Auf Cooking Channel läuft ihre Show „Saucy & Sweet“.

Kelis über ihre „letzte Mahlzeit“ im Guardian.

via brocantehome.tumblr.com
via brocantehome.tumblr.com