Zur Feier des Tages: Ab mit dem Kopf!

bottleemptyred
© Sarah Krobath

In Wahrheit gibt es zwei Arten von Genießern auf der Welt. Diejenigen, die sich ihr Ketchup bis zur letzten Fritte exakt einteilen, und die, denen die Tunke schon knapp nach dem ersten Drittel vom Pommes-Stanitzel ausgeht. Ich gehöre zur ersten Kategorie und mache ihr alle Ehre. Bei mir bleibt am Ende sogar noch Ketchup übrig! Esse ich Buchteln, reicht die Vanillesauce (und der Mohn) auch noch für den letzten Bissen und bevor mir die Butter genau beim Sonntagsfrühstück ausgeht, kasteie ich mich lieber am Samstagabend und tunke mein Brot stattdessen in Olivenöl. Überreicht mir ein Freund oder eine Freundin ein kulinarisches, obendrein vielleicht auch noch selbstgemachtes Geschenk, verwandle ich mich in null komma nix in Gollum aus Herr der Ringe und hüte es als „meinen Schatz“. Wäre ich beim Sparen von Geld so gut wie im Aufsparen von Lebensmitteln, die mir besonders lieb sind, hätte ich inzwischen ausgesorgt, soviel steht fest. Was für Dagobert Duck sein Speicher voll Goldmünzen, ist für mich meine Küche bestückt mit wunderbaren Fläschchen, entzückenden Gläschen und faszinierenden Schächtelchen, zu denen ich im Gegensatz zur geldgierigen Ente eine respektvolle Distanz wahre. Weder ich, noch mein Salat kommt in den Genuss, in dem edlen Olivenöl eines Slow Food Produzenten vom Lago di Como zu baden und monatelang war es keinem Eiswürfel erlaubt, sich im gepriesenen Tom’s Tonic treiben zu lassen. vivalavidaDas letzte Glas von der im Sommer selbst eingekochten Marillenmarmelade für ein schnelles Frühstück unter der Woche aufmachen kommt für mich nicht infrage. Den großartigen, inzwischen vergriffenen Wein, den es für die Weinkolumne von Biorama zu verkosten gilt, für mich alleine aufmachen? Gott bewahre! Dann schon lieber Einladungen und Verabredungen mit dem Redaktionsschluss abstimmen. Ich sollte es besser wissen! Wenn ich etwas vom Märzhasen und dem verrückten Hutmacher aus Alice im Wunderland gelernt habe, dann dass es Anlässe genauso wenig braucht wie Herzköniginnen. Nicht für eine Teeparty, nicht für eine Torte aus Joy the Bakers Homemade Decadence und auch nicht, um beim Wiederentdecken einer von mir selbst strengstens unter Verschluss gehaltenen Weinflasche aus einer Laune heraus zu bestimmen „Ab mit dem Kopf!“

Wem ein Tag wie jeder andere nicht gut genug erscheint, um sich etwas Besonderes zu gönnen, der ernennt diesen eben kurzerhand zum Nicht-Geburtstag, stößt zu zweit auf den Nicht-Jahrestag an oder macht es einfach wie die findige Konsumindustrie. Ein deutscher Müslihersteller hat sich letztes Jahr den Weltmüslitag ausgedacht, die amerikanischen Kosmetikhersteller haben den Welt-Männlichen Körperpflege erfunden und vier österreichische Gymnasiasten, die’s gerne bequem mögen, den Internationalen Jogginghosentag ins Leben gerufen. Warum also nicht den heutigen Tag zum Sonntagsfrühstück-Montag und den morgigen zum Frühen-Feierabend-Abend erklären? In einem kürzlich veröffentlichten Blogpost schreibt Shauna Niequist über ihren Vorsatz für dieses Jahr: „Burn the candles!“ Im gleichbetitelten Beitrag fordert die Autorin dazu auf, lieber jetzt die schönen Duftkerzen niederzubrennen, den schicken Schmuck zu tragen und den guten Kaffee zu brühen, statt sie allesamt für einen besonderen Anlass, ein Irgendwann in der Zukunft aufzusparen. Und sie hat recht! emptyDie beste mitgebrachte Flasche Wein ist immer noch die, die leer ist, bevor die Freunde, von denen sie stammt, zur Tür hinaus sind. Und jeder noch so edle Champagner lässt sich alleine in Jogginghosen vor dem Fernseher genauso exquisit schlürfen wie mit der herausgeputzten Clique in Ballkleid und Smoking vor dem Galaabend. Manche Gläser sind leer einfach besser als halb voll. Ich koch mir jetzt was mit dem guten Pfeffer, dem feinen Öl und Balsamico und dazu einer Tasse, ach was, einer Kanne von dem Tee, den mir eine liebe Freundin von ihrer letzten Asienreise mitgebracht hat. Wer weiß, vielleicht mach ich mir später sogar den letzten Barbera d’Alba von meinem Studienjahr in Italien auf – zur Feier des Tages.

 

2 Comments

  • Word! Genau so soll es sein – leben und genießen im Hier & Jetzt. 🙂

  • Klingt nach einem super Toast für den Champagner in der Jogginghose, Juliane 😉

Comments are closed.