Vegan orientalisch isst es sich nirgends so schön wie zuhause.

 

Vegan Oriental von Parvin Razavi © Coverart: Henriette Artz
Vegan Oriental von Parvin Razavi © Coverart: Henriette Artz

Das Auswärtige ist immer spannender als das Naheliegende. Darum klappern wir im Urlaub Museen ab, obwohl wir in die Hälfte der Wiener Ausstellungen noch keinen Fuß gesetzt haben. Deshalb reisen manche extra zur Olivenernte nach Italien, wo sie doch noch nie bei Spargelstechen im Marchfeld gewesen sind. Aus demselben Grund war ich auch schon seit Jahren nicht mehr in der Therme Bad Blumau, die keine halbe Stunde von meiner Haustür in der Steiermark entfernt liegt. Manchmal braucht es eben das Zutun eines lieben Menschen, damit einem endlich die Paradeiser von den Augen purzeln. So wie Parvin, die Anfang Juli eine kleine feine Runde zur Präsentation ihres ersten Kochbuchs „Vegan Oriental“ ins Rogner Bad Blumau eingeladen hat. Wie sich herausstellt, macht Familie Razavi in meiner Heimat gerne Urlaub, nicht zuletzt wegen der Hunderwasser Philosophie vom Leben im Einklang mit der Natur, die im Rogner Bad Blumau durch und durch gelebt wird.*

Parvin Razavi, Rogner Bad Blumau, Vegan Oriental
Auf Orient-Entdeckungstour iin der Steiermark © Rogner Bad Blumau

Gemeinsam mit Küchenchef Johann Schuster hat Parvin uns ein buntes Potpourri aus frischen, farbenfrohen und fein abgeschmeckten Gerichten aufgetischt, die „im Mittleren Osten als klassische Hausmannskost in jeder Familie gekocht werden“, wie sie sagt. Wer in Wien des Öfteren in den falschen Lokalen gegessen hat und orientalisch seitdem als Synonym für „zu Tode gewürztes Fleisch“ versteht, wird staunen, denn alle 80 Rezepte kommen, wie der Titel des Buches bereits sagt, mit rein pflanzlichen Zutaten aus. Mit welchen Kräutern, Gewürzen und Würzmittel sich diese von ihrer besten Seite zeigen, verrät das Glossar auf den ersten Seiten. Mehr über Lieblinge wie die Artischocke, Datteln oder Feigen erfährt man in Kurzportraits zwischendurch.

Johann Schuster vom Rogner Bad Blumau ist mit Parvin "beim Kochen zusammengewachsen".
Johann Schuster vom Rogner Bad Blumau ist mit Parvin „beim Kochen zusammengewachsen“.

Dass die libanesische Küche eine Schatzkammer für vegane Rezepte ist, konnte ich bereits feststellen als ich Katharina bei der Recherche zu „Immer schon vegan“ unterstützt habe. Dass auch im Iran und in Ägypten dermaßen viel vegan gekocht wird, war mir aber nicht bewusst. „Lediglich an Joghurt kommst du in der orientalischen Küche nicht vorbei“, gibt Parvin zu, „das isst man überall dazu.“ In ihren Rezepten kommt stattdessen Sojajoghurt zum Einsatz – das ist aber auch schon das einzige Ersatzprodukt unter den Zutaten, die von Illustratorin Henriette Artz in liebevollen Buntstiftzeichnungen aufgegriffen worden sind und neben den stimmungsvollen Fotos dazu beitragen, dass man sich auf den 192 Seiten gar nicht sattsehen kann.

Rotes Auberginenmousse (Mizra Ghasemi), Haselnussdip & Baba Ghanoush
Rotes Auberginenmousse (Mizra Ghasemi), Haselnussdip & Baba Ghanoush

Die Gerichte, die Parvin und Johann uns auf Tellern und in zahlreichen Schüsselchen servieren – alle gleichzeitig, Gänge gibt es in der Orientalischen Küche nämlich keine – stehen den farbenfrohen Zeichnungen in nichts nach. Hier funkelt eine pinke Granatapfelkern-Perle hervor, dort geht eine mit Couscous gefüllte Tomate wie eine rote Sonne über Okras in sattem Grün auf und strahlt mit dem Safran-Reis im Zucchini-Mantel um die Wette.

Gefüllte Tomaten & Zucchini, Okras und Knusperreis
Gefüllte Tomaten & Zucchini, Okras und Safran-Knusperreis

Wenn man Parvin beim Auftragen von Tabouleh, karamellisiertem Fenchel mit Berberitzen und einem kunstvoll auf den Teller gestürzten Kuchen aus knusprigem Reis beobachtet, gibt’s keinen Zweifel ­– das ist stolze Heimatverbundenheit und Wertschätzung der eigenen Kultur pur. Als hätte sie die Küche, mit der sie aufgewachsen ist, kurzerhand wie einen Teppich zusammengepackt, nach Österreich übersiedelt und nun stolz vor uns ausgerollt, damit wir es uns darauf gemütlich machen und über die reichen Ornamente staunen können. Das war nicht immer so, erzählt Parvin: „Als ich mit 8 Jahren als Flüchtling nach Österreich gekommen bin, hab ich meine Identität als Ausländer stark unterdrückt. Erst durch das Kochen habe ich meine Herkunft akzeptieren gelernt. Jetzt habe ich das erste Mal das Gefühl, dass sich meine Herkunft positiv auf mein Schaffen auswirkt.“ Der Preis der Wiener Vielfalt, den die Mutter zweier Töchter 2013 in der Kategorie Küche und Kulinarik verliehen bekommen hat, bestätigt sie darin.

Parvin Razavi, vegan oriental
Heute stolz darauf, wie sich ihre Herkunft auf ihre Arbeit auswirkt: Parvin Razavi

Positiv ausgewirkt hat sich die Produktion von Parvins Kochbuch wohl auch auf Arnold Pöschl und Sebastian Rahs, mit denen sie in einer idylllischen Konoba in der Nähe von Rovinj eine ganze Woche lang von 9 Uhr morgens bis Mitternacht gekocht und fotografiert hat, bis die Bilder zu allen Rezepten im Kasten waren. Wer sonst kann schon von sich behaupten, dass er sich einmal quer durch den veganen Orient gekostet hat? Auf aufwendiges Foodstyling und künstliche Hilfsmittel hat das Team verzichtet, die Speisen in der Keramik von Feine Dinge und dem Geschirr von Riess sind sich selbst Schmuck genug.

Unterteilt ist das Buch in sieben Kapitel, wovon jedes einem Land gewidmet ist, lediglich Syrien, Libanon und Jordanien sind zu einem zusammengefasst. Und auch wenn sich die kulinarischen Grenzen zwischen den einzelnen Ländern nicht ganz so streng ziehen lassen, ist es für Orient-Neos wie mich spannend zu sehen, von wo aus Tajines, Tabouleh und Baba Ghanoush ihre Reise in unsere Lokale, Kühlregale und unsere Herzen angetreten haben.

Nach einem bunten Fünferlei aus unterschiedlichen Gerichten, von denen auch jedes alleine durchaus einer Hauptspeise würdig wäre, verkündet Johann: „Jetzt kommt dann der Orient. Ich war ihn gerade holen“. Das Reindl frisch gebackener und grandios saftiger Rosen-Mandelkuchen, den er uns wenige Minuten später präsentiert, hat er mit Rosen aus dem Thermengarten geschmückt. Dazu gibt’s eine Tasse Türkischen Kaffee und den Tipp, dass man als Reisender im Iran nirgends so gut isst wie bei einer Familie zuhause. Mit „Vegan Oriental“ dürfte es sich demnächst jedenfalls auch in den österreichischen und deutschen Haushalten richtig gut orientalisch essen lassen.

Saubohnen mit Dill, Persischer Eintopf mit Schälerbsen, Kichererbsen mit Spinat & Karamellisierter Fenchel mit Berberitzen
Saubohnen mit Dill, Persischer Eintopf mit Schälerbsen, Kichererbsen mit Spinat & Karamellisierter Fenchel mit Berberitzen
Mandel-Rosen-Kuchen zum Türkischen Kaffee
Mandel-Rosen-Kuchen zum Türkischen Kaffee

* Im Rogner Blumau wird saisonal, regional und bevorzugt biologisch gekocht – und das nicht nur für die Gäste. Jeden Donnerstag essen alle Mitarbeiter fleischfrei. „ Unser vegetarischer Tag ist unser persönlicher Beitrag an die Umwelt. Umgerechnet in Schweinefleisch, schenken wir somit 120 Schweinen pro Jahr das Leben“, sagt die Hoteldirektorin und Zen-Lehrerin Melanie Franke.

2 Comments

  • Also vom Autor eines Kochbuches persönlich bekocht werden … WOW
    Sieht auch alles sehr lecker aus, da kriegt man sofort Appetit.

  • Uns von Parvin bekochen zu lassen, war auf jeden Fall für alle Gäste eine großartige Erfahrung. Zum Glück lassen sich ihre Rezepte aus dem Kochbuch aber auch wirklich gut nachkochen, so dass man auch zuhause in den Genuss von (veganer) orientalischer Küche kommt. Inzwischen hab ich gut die Hälfte der enthaltenen Rezepte durch und einige davon hab ich sogar schon in mein Lieblingsgerichte-Repertoire aufgenommen. Am besten selbst einen Blick ins Buch werfen und durch Jordanien, Türkei und Co kochen 😉 Lieber Gruß, Sarah

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